Homosexuelle

Homosexualität in Deutschland war lange Zeit, besonders während der Zeit des Nationalsozialismus und in den ersten beiden Jahrzehnten nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland, von diskriminierender Gesetzgebung und Verfolgung betroffen.

Aus­gren­zung traf nicht nur die po­li­ti­schen Geg­ner des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus, son­dern auch je­ne, die nicht den Leis­tungs- und Ver­hal­ten­s­an­for­de­run­gen des NS-Re­gimes ent­spra­chen. Die Ver­fol­gung so­zia­ler Au­ßen­sei­ter war we­sent­lich für die Her­aus­bil­dung der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen „Volks­ge­mein­schaft”. Be­trof­fen hier­von wa­ren auch die Ho­mo­se­xu­el­len, de­ren Le­bens­wei­se als „ge­fähr­li­che Seu­che” galt. Ih­re in den rhei­ni­schen Groß­städ­ten, vor al­lem in Köln und Düs­sel­dorf be­son­ders aus­ge­präg­te Sub­kul­tur wur­de durch Raz­zi­en, Ver­haf­tungs­ak­tio­nen und Lo­kal­schlie­ßun­gen so­wie die Ver­hän­gung von Ge­fäng­nis­stra­fen und KZ-Haft nach und nach zer­stört. Auch ge­wöhn­li­che Rück­fall­straf­tä­ter und die so ge­nann­ten „Aso­zia­len”, Rand­grup­pen wie Bett­ler, Land­strei­cher, Un­ter­halts­säu­mi­ge, Pro­sti­tu­ier­te oder se­xu­ell von der Norm ab­wei­chen­de Frau­en, wa­ren mit Ent­rech­tung und ver­schärf­ter Ver­fol­gung kon­fron­tiert. Roth, Thomas, 1933 bis 1945 – Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg, in: Internetportal Rheinische Geschichte

Da Schwule und Lesben nicht zur Fortpflanzung der „Herrenrasse“ beitrugen, standen sie der Ideologie der Nationalsozialisten entgegen.

Homosexuelle Männer wurden – zumeist nach Verbüßung einer Strafhaft aufgrund der 1935 verschärften §§ 175 und 175a RStGB – in Konzentrationslager verschleppt und nach Einführung der Winkel-Kennzeichnung mit dem Rosa Winkel markiert.

Lesbische Frauen wurden nicht wegen ihres Lesbischseins verfolgt, aber es wurden jüdische oder politisch missliebige (z. B. im kommunistischen Widerstand aktive) Lesben aus diesen Gründen ebenfalls verschleppt. Eine besondere Kennzeichnung von Lesben ist nicht nachweisbar.

Ernst Röhm, homosexueller Führer der Sturmabteilung (SA), wurde zunächst von Adolf Hitler geschützt. Hitler empfand ihn jedoch später als Bedrohung und ließ ihn während der „Nacht der langen Messer“ töten. Schwule wurden von Hitler als „Volksfeinde“ denunziert. Er betrachtete Homosexualität als ein „entartetes“ Verhalten, das die Leistungsfähigkeit des Staates und den männlichen Charakter des deutschen Volkes bedrohe. Der Paragraph 175 wurde 1935 durch die Ausweitung auf sämtliche „unzüchtigen“ Handlungen extrem verschärft. Das schloss nicht nur die bislang straffreie wechselseitige Onanie ein. Theoretisch sollte nun bereits das „bloße Anschauen des geliebten Objekts“ oder das „bloße Berühren“ dafür ausreichen, bestraft zu werden. Auch das bisher straffreie „Streicheln, Umarmen, Küssen u. dgl.“ wurde nun mit Gefängnis bedroht. Neu geschaffen wurde § 175a, der „schwere Fälle“ der Unzucht mit Zuchthausstrafen bis zu zehn Jahren bedrohte.

Am 10. Juni 1936 wurde die Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung gegründet. Ihre Einrichtung war der Auftakt für die nach den Olympischen Spielen 1936 wieder verstärkt einsetzende Homosexuellenverfolgung. Die Aufgabe der Reichszentrale bestand vorrangig in der Sammlung von Daten über Homosexuelle. Die Rosa Liste enthielt schließlich Dateien von etwa 100.000 als homosexuell bestrafter oder verdächtiger Männer.

Homosexuelle Männer wurden in Zuchthäusern und Gefängnissen, aber auch in den Konzentrationslagern durch Folter und Misshandlung zu „freiwilligen“ Anträgen auf Kastration genötigt und kastriert.

Im Konzentrationslager Buchenwald führte der dänische SS-Arzt Carl Værnet 1944 Menschenversuche zur „Heilung“ durch. Er implantierte den Opfern künstliche Hormondrüsen in der Leistengegend, die durch die permanente Abgabe männlicher Hormone zu Heterosexualität führen sollten.

Der seit der Reichsgründung geltende und von den Nazis erheblich verschärfte § 175 StGB („Unzucht zwischen Männern“) wurde 1957 in der DDR auf sexuelle Handlungen mit Jugendlichen unter 21 Jahren beschränkt. Dieses so genannte Schutzalter wurde 1968 auf 18 Jahre herabgesetzt.

Das bedeutete aber nicht, dass sich Toleranz breitmachte. Homosexualität galt als Laster der Bourgeoisie. Schwul-lesbische Emanzipation wurde unterbunden.

1989 strich die Volkskammer der DDR ihre gegen Homosexualität gerichtete Sondergesetzgebung (§ 151) ersatzlos, das Schutzalter lag somit wie bei Heterosexuellen bei 14 Jahren. Dieses Schutzalter war in den neuen Bundesländern bis zum 9. März 1994 rechtswirksam, zeitgleich existierte in den alten Bundesländern ein Schutzalter von 18 Jahren nach § 175.

Vor der Wiedervereinigung

Seit Bestehen der Bundesrepublik waren homosexuelle Handlungen strafbar und wurden verfolgt. Die rechtliche Grundlage dazu war § 175 des Strafgesetzbuches. Am 10. Mai 1957 entschied das Bundesverfassungsgericht: Gleichgeschlechtliche Betätigung verstößt eindeutig gegen das Sittengesetz. Deshalb könnten sich Homosexuelle nicht auf das durch das Grundgesetz garantierte Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit berufen. Zudem sei § 175 des Strafgesetzbuches nicht in dem Maße nationalsozialistisch geprägtes Recht, dass ihm in einem freiheitlich demokratischen Staat die Geltung versagt werden müsse. Die Anwendung des § 175 in der Bundesrepublik erfolgte exzessiv. Es wurden über 50.000 Männer verurteilt und 100.000 Ermittlungsverfahren eingeleitet.

1969 wurde gleichgeschlechtlicher sexueller Verkehr bei einem Schutzalter von 21 Jahren legalisiert. 1973 wurde das Schutzalter auf 18 Jahre reduziert. Auch nach der Entkriminalisierung wurde jedoch die polizeiliche Sammlung der Daten von Homosexuellen in Rosa Listen fortgesetzt. Das Handbuch der Kriminalistik sah noch 1978 die Führung von Homosexuellenkarteien als notwendige Maßnahme zur Wahrnehmung der polizeilichen Sicherungsaufgaben an.

Nach der Wiedervereinigung

Der Deutsche Bundestag vereinheitlichte 1994 durch Aufhebung des § 175 das Schutzalter für Homo- und Heterosexuelle auf 14 bzw. 16 Jahre im Zuge der Rechtsangleichung nach der deutschen Wiedervereinigung. Dadurch sank mit Wirkung zum 10. März 1994 das Schutzalter für Homosexuelle in Westdeutschland, während es in Ostdeutschland für Homo- und Heterosexuelle in Teilbereichen stieg.

Ab dem Ende der 1990er Jahre wurde in Deutschland um die staatliche Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Paaren gekämpft, die im Februar 2001 zur Verabschiedung des Lebenspartnerschaftsgesetzes führte. Seit Anfang der 2010er wurde darüber hinaus die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe gefordert.

Am 27. Juni 2017 hob Bundeskanzlerin Angela Merkel für die Bundestagsabgeordneten von CDU und CSU den Fraktionszwang für eine Abstimmung über die Freigabe der gleichgeschlechtlichen Ehe auf. Beim Abstimmungsverhalten handle es sich um eine Gewissensentscheidung der einzelnen Abgeordneten.

Am 30. Juni fand eine Abstimmung über die gleichgeschlechtliche Ehe im Bundestag statt. Das Gesetz wurde mit einer deutlicher Mehrheit von 393 zu 226 Stimmen verabschiedet; die Kanzlerin selbst stimmte dagegen. Am 7. Juli 2017 wurde die „Öffnung der Ehe“ auch im Bundesrat beschlossen. Am 21. Juli 2017 wurde das Gesetz von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier unterzeichnet.

Seit dem 1. Oktober 2017 können gleichgeschlechtliche Paare heiraten. Bis September 2017 eingegangene Lebenspartnerschaften können auf Antrag in Ehen umgewandelt werden. Am 6. März 2018 verzichtete Bayerns Staatsregierung auf eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. (Wikipedia)

Die Quellenlage ist angesichts lange fortgeltender Strafverfolgung und hieraus resultierender Aktivitäten im Verborgenen schlecht. Erwartungsgemäß existieren keine Namenslisten von Homosexuellen im „Dritten Reich“ (mehr). Bekannt ist das Schicksal des in Viersen lebenden Heinrich Kamps, der 1943 im KZ Buchenwald ermordet wurde.