Johannistal

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In Süchteln gibt es die LVR-Klinik.
Das ist eine Klinik für Menschen mit psychischer Erkrankung.
Früher war dort auch eine Einrichtung für psychisch Kranke.
Der Name von der Einrichtung war:
Provinzial Heil und Pflege-Anstalt Johannistal.

Verwaltungsgebäude der Provinzial Heil- und Pflegeanstalt
Männerabteilung

Die Einrichtung wurde im Jahr 19 Hundert 6 gegründet.
Das war vor mehr als 100 Jahren.
Psychisch kranke Menschen wurden dort von Ärzten behandelt.
Und sie wurden dort betreut.
Die Menschen lebten in der Einrichtung.
Die Einrichtung hatte Platz für 8 Hundert Menschen.
Bei der Eröffnung waren schon über 6 Hundert Plätze belegt.
Die Einrichtung war früher ein gutes Beispiel
für die Behandlung von psychisch kranken Menschen.

Der schwere Weg von Otto S.

Otto S. ist in Wien geboren.
Das ist in Österreich.
Ottos Familie ist sehr früh nach Essen gezogen.
Das ist eine Stadt in Deutschland.
Otto ist in Essen zur Schule gegangen.
Danach hat er als Hilfs-Kraft bei vielen Arbeit-gebern gearbeitet.
Zuletzt war Otto Hilfs-Gärtner.

Otto hatte Epilepsie.
Früher nannte man die Krankheit Fallsucht.
Seine Eltern konnten nicht gut mit Otto umgehen.
Otto hat seine Eltern oft angegriffen.
Deshalb wurde er in die Heil und Pflege-Anstalt Johannistal gebracht.
Das war im Jahr 19 Hundert 24.
Otto fühlte sich dort aber nicht wohl.
Deshalb ist er aus der Einrichtung geflohen.
Das war im Jahr 19 Hundert 25.
Er ist nach Kassel geflohen.
Dort hat er dann bei einem Landwirt gearbeitet.
19 Hundert 26 ist er wieder in die Einrichtung zurück gegangen.
Dieses Mal ist er für die Behandlung dort geblieben.

Das Gesetz zur Zwangs-Sterilisation

Als die National-Sozialisten die Macht in Deutschland hatten
führten sie ein neues Gesetz ein.
Das Gesetz hieß:
Gesetz zur Verhütung des erbkranken Nachwuchses.
Das Gesetz sagte:
Kranke Menschen dürfen keine Kinder bekommen.
Dafür wurde die Zwangs-Sterilisation eingeführt.
Damit sollten Krankheiten nicht an Kinder weiter gegeben werden.

Das Gesetz wurde 19 Hundert 33 eingeführt.
Ärzte mussten dann Gutachten über die kranken Menschen schreiben.
Und sie mussten die Gutachten an ein Gericht weiter geben.
Das Gericht hieß:
Erb-Gesundheits-Gericht.
Das Gericht stellte dann einen Antrag für die Zwangs-Sterilisation.
Viele Menschen waren von dem Gesetz betroffen.
Sie mussten gemeldet werden.
Zum Beispiel:

• Blinde und taube Menschen
• Menschen mit körperlicher Behinderung
• Menschen mit Alkoholproblem

• Menschen mit geistiger Behinderung
• Menschen mit Depressionen
• Menschen mit psychischen Erkrankungen

Ottos Geschichte

Auch Otto S. war von dem neuen Gesetz betroffen.
Im Jahr 19 Hundert 35 hat ein Arzt die Krankheit von Otto gemeldet.
Der Arzt musste die Krankheit von Otto melden.
Er war dazu verpflichtet.
Dann wurde der Fall von Otto von einem Gericht überprüft.
Ein Jahr später wurde der Antrag zur Sterilisation von Otto gestellt.
Es gab eine Verhandlung beim Gericht über den Fall von Otto.
Das Gericht hat entschieden:
Otto muss sterilisiert werden.
Das wurde im Juli 19 Hundert 36 gemacht.
Dafür wurde Otto in das Krankenhaus in Viersen gebracht.
Danach ging er wieder zurück in die Einrichtung in Süchteln.

Otto versuchte immer wieder zu fliehen.
Das ging über 3 Jahre so.
Doch er wurde immer gefunden.
Und in die Einrichtung Johannistal zurück gebracht.
Irgendwann hat Otto nicht mehr versucht zu fliehen.
Er ist im Johannistal geblieben.
Und er lernte besser dort zu leben.
Er machte seine Arbeit im Johannistal.
Er arbeitete dort als Maurer.

Entscheidung über Leben und Tod

Im Juli 19 Hundert 39 hat die Regierung neue Pläne gemacht.
Adolf Hitler wollte:
Psychisch kranke Menschen sollen von ihrer Krankheit befreit werden.
Damit meinte er:
Psychisch kranke Menschen sollen getötet werden.
Er nannte das:
Gnaden-Tod.
Das Fach-Wort für diese Tötung von Menschen ist:
Euthanasie.

Ärzte mussten einen Melde-Bogen über die Patienten ausfüllen.
Darin standen:

  • Persönliche Daten von den Patienten
  • Wie gut macht der Patient seine Arbeit?
  • Wie viel Hilfe braucht der Patient bei der Pflege?
  • Wie lange ist der Patient schon in der Einrichtung?

Der Melde-Bogen wurde dann an die Regierung geschickt.
Es gab eine Arbeits-Gemeinschaft für die Melde-Bögen.
Der Name von der Arbeits-Gemeinschaft war:
Reichs-Arbeits-Gemeinschaft der Heil und Pflege-Anstalten.
In der Arbeits-Gemeinschaft waren Ärzte und Psychologen.
Sie haben entschieden:
Welcher Patient soll getötet werden?
Und welcher Patient darf weiter leben?

Ein rotes Kreuz auf dem Melde-Bogen bedeutet:
Der Patient soll getötet werden.
Ein blauer Strich bedeutet:
Der Patient darf weiter leben.

Die ganze Aktion hieß:
T 4

Auch Otto hatte einen Melde-Bogen.
Die Arbeits-Gemeinschaft hat entschieden:
Otto soll getötet werden.
Sie machten ein rotes Kreuz auf seinen Melde-Bogen.

Im Jahr 19 Hundert 41 wurde Otto in eine andere Einrichtung gebracht.
Das war in der Stadt Andernach.
Das war eine Zwischen-Station.
Bevor es in die Tötungs-Anstalt gehen sollte.
Otto und fast 200 weitere Menschen kamen nach Andernach.
Doch Otto starb noch vor dem Transport in die Tötungs-Anstalt.
Am 18. Juni 1941 sollte er dorthin gebracht werden.
Einen Tag vorher starb Otto in Andernach.
Man sagte:
Otto hatte einen Herz-Infarkt.
Viele andere Menschen starben auch in Andernach.
Bei allen wurde gesagt:
Sie hatten einen Herz-Infarkt.
Zwei Tage nach seinem Tod wurde Otto beerdigt.
Es gab einen extra Friedhof für die Patienten der Einrichtung.

Das Volk hat protestiert.
Das Volk war gegen die Tötung von Menschen.
Auch ein Bischof hat eine Rede gehalten zu dem Thema.
Dann wurde die Aktion T 4 gestoppt.
Adolf Hitler hat einen Euthanasie-Stopp angeordnet.
Doch das Töten ging weiter.
Nur anders.
In manchen Anstalten machten Ärzte und Mitarbeiter trotzdem weiter.
Sie haben dann selber entschieden:
Welcher Patient ist zu viel Arbeit für uns?
Der Patient wurde dann getötet.

2. Weltkrieg

Seit 19 Hundert 39 gab es nur sehr wenig Geld für Pflege-Einrichtungen.
Dadurch konnte nicht genug Essen gekauft werden für alle Patienten.
Viele Patienten sind verhungert.
Zu dieser Zeit war der 2. Weltkrieg.
Es gab viele Bombenangriffe auf Einrichtungen.
Dadurch mussten Patienten verlegt werden.
Man brauchte viel Platz für verletzte Patienten.
Es gab aber nicht genug Platz für alle.
Viele verletzte Patienten sind dann gestorben.
Sie sind verhungert.
Oder man hat sie mit Medikamenten getötet.

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