Das Schicksal des Israel Nussbaum

Als Israel Nussbaum 1938 nach der Zerstörung seiner Wohnung in Viersen wortwörtlich vor den Trümmern seiner Existenz stand, dachte er, das Schlimmste sei nun vorrüber. Tragischerweise sollte er sich damit irren.

Von der Geburt bis zur Berufsausbildung

Israel Nussbaum wurde am 24. März 1869 in Vollmerz (Osthessen) geboren. Sein Vater und auch sein Großvater waren Viehhändler. Das Milieu war ländlich und jüdisch-orthodox. Nach dem Abschluss des Gymnasiums und einer absolvierten Lehrerausbildung unterrichtet Israel in mehreren Städten. Er wendet sich dem reformierten liberalen Judentum zu, bewundert die deutsche Klassik und Aufklärung.

Israel als Lehrer und Kantor der Gemeinde

1897 heiratet er Berta Kronenberg, eine Arzttochter. Im gleichen Jahr zieht das Ehepaar nach Viersen, wo es zunächst zur Miete wohnt, später ein Haus errichtet.

Das Haus der Nussbaums in Viersen. Am Fenster im Erdgeschoss ist Israels Frau Berta Nussbaum zu sehen.

Israel wird einziger Lehrer der (städtischen) jüdischen Schule und Kantor der Gemeinde. Da die Gemeinde eher orthodox und aus Sicht von Israel überwiegend bildungsfern erscheint, gerät er in Konflikt mit dem Vorsteher. Zu neuen Gemeindemitgliedern, die aus Osteuropa zuziehen, bewahrt er Distanz, da sie seines Erachtens infolge ihres wenig kultivierten Auftretens die Akzeptanz der Juden durch die Mehrheitsgesellschaft gefährden.

Israel Nussbaum (oben links) mit seiner Schulklasse in den 1920er Jahren in Königswinter.

Der Familie Nussbaum gelingt die gesellschaftliche Integration und „Akkulturation“ bestens: Ihre vier Kinder besuchen den evangelischen Kindergarten, erzielen später gute schulische Leistungen. Seine beiden Söhne bekleiden herausgehobene berufliche Positionen. Die Eheleute sind patriotisch und gehören mehreren Vereinen an. Die Familie zählt zur „besseren Gesellschaft“ Viersens.

1930er Jahre

Angesichts zunehmender Drangsalierung verlassen drei ihrer Kinder Mitte der dreißiger Jahre Deutschland. Die körperlich behinderte Tochter Annie bleibt bei den Eltern. Eltern und Tochter können sich trotz eindringlicher Appelle der bereits Ausgewanderten nicht ebenfalls zu einer Ausreise durchringen. Sie hätten ihren gesellschaftlichen Status, die staatliche Pension und ihr Haus aufgeben müssen. Da sie selbst im Rentenalter waren und mit gesundheitlichen Einschränkungen zu kämpfen hatten, erschien ihnen der nochmalige Aufbau einer Existenz nicht möglich.

Die Nussbaums besuchten jedoch in den 1930er Jahren Verwandte, reisten unter anderem nach Genua und bis nach Palaestina. Auch das Foto im Hintergrund entstand auf einer solchen Reise und zeigt Israel Nussbaum mit seinem Enkel in Genua 1936.

Doch im Deutschen Reich spitzte sich die Lage zu: Schwere Misshandlungen und die vorübergehende Gefangennahme von Israel zeugten von einer zunehmenden Gewaltbereitschaft gegen die jüdische Familie. Trauriger Höhepunkt war die Zerstörung der Wohnung der Nussbaums im Jahr 1938. Sie hofften, dass das Schlimmste danach hinter ihnen liegen würde.

Israel_Kopf

Deportierung und Ermordung

Doch der Höhepünkt der Grausamkeit lag noch vor ihnen: Im Juli 1942 werden Israel, seine Frau Berta und seine Tochter Annie in das KZ Theresienstadt deportiert. Die Nationalsozialisten in Viersen waren stolz: Ihre Stadt galt nach der Deportierung der Nussbaums als „judenfrei“. Israel wird 1942, Berta 1943 ermordet. Annie wird nach Auschwitz verbracht und dort getötet.

Eine frühe Fotografie von Annie Nussbaum ist nebenstehend zu sehen. Am 16. Juni 1944 bedankte sie sich noch bei einer früheren Hausgehilfin für eine Paketsendung. Dies war ihr letztes Lebenszeichen.

Das hohe Ansehen, das die Familie in Viersen genoss, bot keinen ausreichenden Schutz vor der Vernichtung.  Vor ihrem Haus in der Geschwister-Scholl-Straße liegen heute „Stolpersteine“, um an das Schicksal der Nussbaums zu erinnern.

Annie Nussbaum_Letzte Postkarte aus Theresienstadt_1

Die letzte Postkarte der Annie Nussbaum aus dem KZ Theresienstadt vom 16. Juni 1944.

Annie Nussbaum_Letzte Postkarte aus Theresienstadt_2

Sie dankt der früheren Hausgehilfin Hubertine Feldt für eine Paketsendung.

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