Amtsgerichte (AG)

Amtsgerichte (AG) waren in Zivilrechtsstreitigkeiten (sofern diese nicht unabhängig vom Streitwert den Landesgerichten zugewiesen waren) zuständig bei vermögensrechtlichen Ansprüchen bis 300.- Reichsmark.

In Strafsachen entschieden die AG durch Schöffengerichte. Diese waren zuständig für Vergehen, die mit max. 3 Monaten Gefängnis oder einer Geldstrafe von max. 600.-Reichsmark bedroht sind, bei Privatklagen für Beleidigungen und Körperverletzungen; für Diebstahl, Unterschlagung, Betrug und Sachbeschädigung, wenn der Wert max. 25.-Reichsmark betrug. Außerdem konnten die Strafkammern der Landgerichte  den AG Strafsachen zuweisen.

Bei den AG, die sich am Sitz eines Landgerichts befanden, waren regelmäßig auch die „Erbgesundheitsgerichte“ angesiedelt, die ab 1934 gemeinsam mit kommunalen Amtsärzten über Zwangssterilisationen angeblich „erbkranker“ oder behinderter Menschen entschieden. Die Unfruchtbarmachung beantragen konnten nach dem Wortlaut des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses” vom 1.1.1934 die Betroffenen selbst, gegebenenfalls deren gesetzliche Vertreter, beamtete Ärzte sowie „für die Insassen einer Kranken-Heil- oder Pflegeanstalt oder einer Strafanstalt der “Anstaltsleiter”. Das Erbgesundheitsgericht entschied in nicht­öffentlichen Verfahren. Ihm stand ein Amtsrichter vor, den ein beamteter und ein weiterer Arzt berieten. Rechtsmittel konnten an das „Erbgesundheitsobergericht“ (für Viersen an das OLG Düsseldorf) adressiert werden, was selten vorkam.

Das Gesetz ermöglichte die massenhafte Zwangssterilisation psychisch Kranker, Blinder, Tauber, Epileptiker, Alkoholkranker etc. Bis zum Kriegsende wurden ca. 400.000 Menschen -vom Kind bis zum Greis- zwangsweise unfruchtbar gemacht. Hierbei kamen 3.500 bis 20.000 Menschen ums Leben.

Beim AG angesiedelt waren auch „Anerbengerichte“, bei den Erbfragen landwirtschaftlicher Betriebe entschieden wurden.

In familienrechtlichen Zivilrechtsstreitigkeiten kam das „Ehegesundheitsgesetz“ zur Anwendung. Die Abstammung eines Ehepartners war bedeutsamer als der Erhalt des Ehefriedens. In Schadenersatzprozessen interessierte das Judentum des Klägers, nicht seine berechtigten Ansprüche.

Das Amt der Staatsanwaltschaft wurde beim AG und den Schöffengerichten ausgeübt durch Amtsanwälte. Nicht nur Strafverfahren sondern auch Zivilrechtsstreitigkeiten waren in hohem Maße von Nazi-Ideologie durchdrungen. Die Richter-, Staatsanwalt- und Rechtsanwaltschaft wurde von Juden und Missliebigen „gesäubert“.