Maria Kürvers blieb dem NS-Regime fern – mit stiller Entschlossenheit und klarer Haltung.
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Amtseid auf Hitler
Als am 5. September 1934 alle Lehrerinnen und Lehrer in Boisheim den sogenannten „Diensteid der öffentlichen Beamten“ auf Adolf Hitler leisteten, tat dies auch die Volksschullehrerin Maria Kürvers. Der Eid war Pflicht, wer ihn verweigerte, riskierte den Verlust seiner Anstellung. Doch während viele sich darüber hinaus der NSDAP anschlossen oder in ihren Organisationen aktiv wurden, zog Maria Kürvers eine andere Grenze.
Verweigerung gegenüber der NSDAP
Maria Kürvers war Mitglied der Zentrumspartei, einer katholisch geprägten Partei der Weimarer Republik. Auch nach deren erzwungener Auflösung im Zuge der Gleichschaltung 1933 trat sie nicht in die NSDAP ein – eine Verweigerungshaltung, die in der damaligen Zeit mit erheblichen beruflichen und persönlichen Risiken verbunden war. Ihre Loyalität galt nicht der neuen Machthaberpartei, sondern ihren Überzeugungen.
Noch deutlicher wurde ihre Haltung in Bezug auf die verpflichtenden weltanschaulichen Schulungsabende der NSDAP. Maria Kürvers blieb diesen Veranstaltungen bewusst fern. Ihre Begründung – sie müsse früh schlafen, um für den Unterricht fit zu sein – war eine diplomatisch formulierte Ausrede. Tatsächlich war ihr Fernbleiben ein stiller Akt der Verweigerung. Die Reaktion der NSDAP folgte prompt: Die Ortsgruppe meldete ihr Verhalten dem Schulrat in Viersen, diskreditierte sie als kräftemäßig abgebaut und spekulierte über einen Zusammenhang mit ihrer früheren Zentrumstätigkeit. Es folgte eine ärztliche Untersuchung zur angeblichen „körperlichen Leistungsfähigkeit“ – ein klarer Einschüchterungsversuch und Zeichen des Drucks, dem sich NS-kritische Beamte häufig ausgesetzt sahen. In vielen Fällen konnten solche Denunziationen zur Entfernung aus dem Dienst oder sogar zur Inhaftierung führen. Im Fall Kürvers stellte das Gesundheitsamt Kempen-Krefeld im November 1937 jedoch zunächst nur fest: Sie war uneingeschränkt diensttauglich.
Verhaftung durch die Gestapo
Natürlich war Maria Kürvers dem Regime weiterhin ein Dorn im Auge. Im Jahr 1944 wurde sie von der Gestapo verhaftet und in Krefeld in sogenannte „Schutzhaft“ genommen. Ihr ehemaliger Schulleiter Heinrich Kuhles schrieb an den Schulrat in Viersen und setzte sich für Kürvers ein:
Die Lehrerin Fräulein Kürvers ist auf Grund ihrer früheren führenden Tätigkeit in der Zentrumspartei verhaftet worden und nach Krefeld gebracht. (…) Im Interesse der Schule wäre eine Rückkehr von Frl. Kürvers sehr erwünscht.
Am 25. August 1944 wurde Maria Kürvers tatsächlich aus der Haft entlassen. Sie kehrte jedoch krank nach Boisheim zurück. Kurz darauf, am 21. November, wurde sie im Alter von 62 Jahren zusammen mit etwa 80 weiteren Personen – hauptsächlich Frauen, Kindern und älteren Menschen – nach Schwenda in Sachsen evakuiert. Der Schulleiter berichtete im Dezember 1944 erneut an den Schulrat: Ihre Nerven seien durch die ständigen Luftangriffe und das nahe Frontfeuer so angegriffen gewesen, dass sie der Evakuierung zustimmte.
Schreiben des Schulleiters Kuhles an den Schulrat in Viersen mit der Bitte, Maria Kürvers wieder freizulassen.
Krankheit und Rückkehr nach dem Krieg
Maria Kürvers betrachtete sich als „politisch Geschädigte“. Ihre kritische Haltung im Nationalsozialismus wurde nach 1945 anerkannt. Sie selbst und auch ihr Schulleiter Kuhles hatten nie der NSDAP angehört. So durfte sie bereits im September 1945 wieder unterrichten. Der Schulbetrieb in der Volksschule Boisheim wurde mit drei Klassen wieder aufgenommen.
Im Dezember 1945 schrieb Maria Kürvers krank und von schwierigen Lebensumständen gezeichnet an den Schulrat:
Sie können sich wohl denken, dass die Zeitereignisse und die Umstellung, das Wohnen in einem Raum, das Vermissen von so manchem Notwendigen u.s.w. mich krank gemacht haben. Ich hoffe in 3 bis 4 Wochen wiederhergestellt zu sein. Wünsche Ihnen und Ihrer Familie alles Gute! Auf Wiedersehen im nächsten Jahre oder vielleicht erst im Himmel! Ihre M. Kürvers. Lehrerin.
Abschlussjahrgang 1931 in Boisheim
Abschlussjahrgang 1933 in Boisheim
Letzte Jahre und Auszeichnung
Nach „45 treuen Dienstjahren“ bat Maria Kürvers im November 1947 um ihre Versetzung in den Ruhestand.
Trotz ihrer Haltung wurde sie während der NS-Zeit offiziell ausgezeichnet: 1939 erhielt sie das silberne, 1942 das goldene Schuldienst-Ehrenzeichen. Bereits 1938 hatte sie dafür den nötigen Fragebogen ausgefüllt. Es bleibt offen, ob dies aus eigener Initiative oder auf Druck geschah. An ihrem prinzipientreuen Verhalten änderte es nichts.
Maria Kürvers ist ein Beispiel für stille Standhaftigkeit. Ihre Geschichte zeigt, dass auch ohne große Gesten oder spektakulären Widerstand eine Haltung bewahrt werden kann. Gerade in einem System, das jede Abweichung zu ahnden suchte, war dies ein mutiger Weg.
Der Schein trügt: auch im beschaulichen Boisheim regierten die Nazis - und gingen mit harter Hand gegen Maria Kürvers vor.
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